Frau Professor Rosemarie Forstner wurde zur neuen ÖRG Präsidentin gewählt und hat ihr Amt im Rahmen der letzten Vorstandssitzung angenommen. Fr. Professor Forstner ist seit langem für die ÖRG in verschiedenen Funktionen aktiv gewesen und bestens mit den Herausforderungen vertraut. Wir freuen uns sehr, Fr. Professor Forstner im Rahmen eines Interviews vorstellen zu dürfen, und zugleich Ihre Strategien und Ziele für die ÖRG zu erfahren.
Das Interview führte Thomas Rand.
TR: Sehr geehrte Frau Professor Forstner, liebe Rosemarie: Du warst ja schon viele Jahre mit der ÖRG eng verbunden, was hat Dich letztendlich motiviert, diese neue Aufgabe anzutreten:
RF: Die österreichische Radiologie hat zweifelsfrei im internationalen Maßstab ein sehr hohes Niveau. Die Aktivitäten der ÖRG sind ein nicht zu vernachlässigender Teil dieses Erfolges. Ich habe in den letzten Jahren als Vorstandsmitglied bereits gute Einblicke in die umfangreichen Tätigkeitsfelder der ÖRG gewonnen.
Deshalb war es für mich eine Ehre und wohl auch Verpflichtung, diese Aufgabe anzunehmen. Dies nicht zuletzt, weil ich als erste Frau diese Gesellschaft als Präsidentin leiten darf. Ich bin mir aber sicher, dass dies in Zukunft kaum mehr Erwähnung finden wird.
Dennoch wäre es schön, wenn es für manche junge Kollegin eine Karriereinspiration in unserem Fach sein könnte.
TR: Ich habe einleitend schon Deine medizinischen Aktivitäten erwähnt. Könntest Du für unsere Leser ein wenig Deinen beruflichen Werdegang und Deine medizinischen und radiologischen Schwerpunkte darstellen.
RF: Mein Interesse an der Radiologie wurde in einer Vorlesung über Röntgenanatomie geweckt. Das Interesse verdichte sich zunehmend und es war ganz besonders der Umstand, dass dieses Fach alle Aspekte der Medizin behandelt, der mich letztlich bewogen hat, Radiologie als mein Fach zu wählen. Meine Ausbildung absolvierte ich in Salzburg und am nunmehrigen Uniklinikum bin ich seit vielen Jahren als leitende Oberärztin tätig.
Wesentlich geprägt wurde mein beruflicher Werdegang durch ein Fellowship für Body MRI an der University of California in San Francisco bei Frau Prof. Hricak. Nicht zuletzt ihre inspirierende Persönlichkeit hat mir auch die Faszination der akademischen Dimension unseres Faches erschlossen. Mein klinisch radiologisches Spektrum ist dennoch breit gefächert. Allerdings liegen meine Schwerpunkte in der Bildgebung in der Onkologie, im Body Imaging und hier insbesondere in der Becken MRT. In diesem Bereich liegt auch mein wissenschaftlicher Fokus mit Publikationen und umfangreicher Vortragstätigkeit bei internationalen Kongressen und Tagungen. In den letzten Jahren war ich wesentlich beteiligt an der Erstellung der ESUR Guidelines für verschiedene Einsatzbereiche der MRT des weiblichen Beckens.
Mein aktuelles Engagement gilt der Intensivierung der wissenschaftlichen Projekte der European Society of Urogenital Radiology und der amerikanischen Society of Abdominal Radiology. Im Auftrag der ESR war ich auch im Kernteam der Entwicklung der MRI O-RADS Risikostratifizierung bei Ovarialläsionen. Hochinteressant war für mich auch die Zeit als Dekanin für studentische Angelegenheiten an der PMU in Salzburg. Fortlaufend unterstützte ich die PMU noch als Ombudsfrau für „gute wissenschaftliche Praxis“.
TR: Das wichtigste für uns ist natürlich: was sind Deine Ziele für die ÖRG? Wo wirst Du Schwerpunkte setzen?
RF: Die Radiologie als technikaffines Fach war immer schon führend, wenn es um die Implementierung neuer Techniken in der Medizin ging. Aktuell sind wir als Radiologen aber besonders gefordert durch die extrem dynamische und omnipräsente Digitalisierung. Meine Vorgänger haben hier bereits vorausschauende Konzepte für die Zukunft unseres Faches vorgezeichnet.
Diese Dynamik gilt es aufzugreifen und in vielfältiger Wese weiter zu entwickeln. So können wir auf Vorarbeiten zugreifen hinsichtlich der Standards, etwa von Untersuchungstechniken. Diesen Weg möchte ich konsequent fortsetzen. Konkret denke ich an die Ausweitung auf MR Protokolle und um Befundstandardisierungen. Als besonders wichtig erachte ich hier die Kooperation mit anderen Fachgesellschaften. Unverzichtbar ist eine besondere Aufmerksamkeit für die Entwicklungen in der Teleradiologie. Nicht zuletzt die Anforderungen der Coronakrise haben diesem Aufgabengebiet besondere Dynamik verliehen.
So wie überall liegt die Zukunft auch unseres Faches im fachlichen Nachwuchs mit jungen Radiologinnen und Radiologen. Ich möchte hier Schwerpunkte setzen in der Entwicklung von Förderprogrammen sowohl für die fachliche als auch soziale berufsassoziierte Kompetenzen.
In Zeiten des Ärztemangels ist es von besonderer Bedeutung bereits auf Universitäten Interesse für unser Fach zu wecken. Die erfolgreiche Tätigkeit meiner Vorgänger soll hier aufgegriffen, fortgesetzt und erweitert werden.
Die nachhaltige Sicherstellung der zentralen Verortung unseres Faches in medizinischen Prozessen angesichts der Veränderungen in der Medizin ist eine permanente Aufgabe, der ich mich auch widmen will. Ich bin mir aber sicher, dass meine Nachfolger damit noch intensiv beschäftigt sein werden.
TR: Mit dem Thema „Teleradiologie“ hast Du ja schon gleich vorweg ein hoch aktuelles Projekt gestartet: wie wird es Deiner Meinung nach hier weitergehen? Welche Ziele hast Du konkret auf Teleradiologie bezogen? Wo möchtest Du in 2 Jahren mit dem Projekt stehen, und welche Strategie wirst Du dafür wählen?
RF: Die letzten Monate haben gezeigt, dass medizinische Leistungen über Distanz Realität sind und weit akzeptiert werden, sowohl von Patienten als auch der Ärzteschaft. Es ist auch Tatsache, dass unser Land nicht zu den Spitzenreitern der Teleradiologie gehört. Dennoch hat die Umfrage Teleradiologie gezeigt, dass weit vor der Coronakrise bereits teleradiologische Leistungen in Österreich angeboten wurden.
Aus dem Ausland wissen wir jedoch, dass viel mehr möglich ist. Solche Veränderungen haben allerdings durchaus das Potential disruptiver Veränderungen auf unser Berufsbild in sich. Durch die ÖRG wurde bereits ein Projekt zur Erarbeitung der Rahmenbedingungen der Teleradiologie in Österreich gestartet. Ziel ist ein gemeinsames Consensus Statement der ÖRG, BURA und dem Österreichischen Strahlenschutzverband. Dieses sollte Rahmenbedingungen und Qualitätskriterien klären, aber sich auch mit Fragen beschäftigen, etwa der Sicherung der regionalen Versorgung, des Wissenstransfers und der Sicherstellung radiologischer Ausbildung.
TR: Siehst Du allgemein die Entwicklung der Radiologie: geht es mit der „klinischen Radiologie“, also der unmittelbaren Einbindung der Radiologie in alle klinischen Entscheidungen, etc. weiter bergauf, oder könnten uns Facharztmangel zusammen mit zunehmender Digitalisierung und Artificial Intelligence, wieder weiter weg vom Patienten und in Richtung „zentraler Befundungsplätze“ führen?
RF: Vorweg, Sorge um die Zukunft der Radiologie mache ich mit trotz der angesprochenen Aspekte keine. Aber die zunehmende Digitalisierung in der Medizin und die umfassende Konnektivität stellt unser Fach zweifelsfrei vor erhebliche Herausforderungen. Auch die fachlichen Ansprüche an die Radiologie werden kontinuierlich steigen.
Genau deshalb wird unser Fach durch die AI jedoch nicht bedroht, sondern unterstützt werden. Denn nur mit derartigen Konzepten wird die Radiologie etwa die Ansprüche hinsichtlich personalisierter Behandlungskonzepte erfüllen können. Ich sehe hier auch ein enormes Potential für die Radiologie im Sinn einer Transformation zum zentralen Informationsknoten moderner Medizin. Um diesen Ansprüchen gerecht werden zu können, sind unsere kommunikativen Fähigkeiten gefordert und die diesbezüglichen Kompetenzen zu fördern. Als entwicklungsfähiges Beispiel können hier die Tumorboards gelten, in denen der zentrale Beitrag der Radiologie bereits in der Praxis verwirklicht ist. Unsere Expertise wird sich verstärkt und vertieft einbringen lassen in weiteren interdisziplinären Kooperationen im Sinn integrierter Behandlungskonzepte.
In diesem Transformationsprozess ist es aber essentiell, sich bewusst zu sein, dass unser Aufgabenspektrum als Radiologen wesentlich breiter ist als nur die Befunderstellung. Dazu gehört auch der unmittelbare Kontakt mit Patientinnen. Auch der muss gepflegt werden.
Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung und die traditionelle Affinität unseres Faches mit Innovation die zentrale Rolle der Radiologie in Behandlungsprozessen sogar noch weiter stärken wird.
TR: Was wünscht Du Dir am meisten für Deine Präsidentschaft?
RF: Ich übernehme mit dieser Aufgabe ja kein Neuland, sondern ein durch meine Vorgänger wohlbestelltes Feld. Meine bisherigen Erfahrungen in der ÖRG waren geprägt von einer beeindruckenden Kultur in der Kooperation und im hohen Engagement aller Funktionäre unserer Gesellschaft. Dieses erfolgreich fortsetzen zu können, ist nicht nur der Erfolgsgarant unserer Gesellschaft, sondern ein wesentlicher Wunsch für die meine Präsidentschaft.
Im zeitlichen Nahfeld wünsche ich mir allerdings, dass wir die Pandemie hinter uns lassen. Nicht zuletzt um wieder den kollegialen Austausch auf Kongressen, Tagungen und in Arbeitsgruppen pflegen zu können. So wünsche ich mir ganz besonders, möglichst viele RadiologInnen beim Österreichischen Röntgenkongress im Oktober im Salzburg zu treffen.
TR: Liebe Rosemarie, vielen Dank, für das Gespräch, wir freuen uns auf Deine Amtsführung und wünschen Dir alle Kraft und Ausdauer, die man dafür benötigt.